Arm trotz Rente – Ursachen von Altersarmut
Eine auskömmliche Rente ist leider nicht mehr selbstverständlich. Das gilt insbesondere für viele in meiner Generation, also die, die jetzt in meinem Alter, also so zwischen 30 und 40 sind. Über eine lange Zeit ohne Arbeit zu sein oder Arbeit zu haben, die entweder unzureichend entlohnt wird oder nicht sozialversicherungspflichtig ist (z.B. Minijobs, Werkverträge und andere Formen der Selbstständigkeit), das kennen viele Menschen. Prekäre Arbeitsverhältnisse, unterbrochene Erwerbstätigkeit (aufgrund von Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen usw.), aber auch Teilzeiterwerbsarbeit sind Ursachen von Altersarmut. Betroffen davon sind besonders Frauen, insbesondere Alleinerziehende. Vielen von uns wird es deswegen nicht mehr gelingen genügend Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, um im Alter von der „eigenen“ Rente würdevoll leben zu können. Zudem fehlt es oft am notwendigem Geld für die private Altersvorsorge, die seit der Rentenreform 2001 Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzen soll.
Kern des Problems: Immer noch liegt der gesetzlichen Rentenversicherung das männliche (!) Erwerbsmodell zu Grunde. Die Rede ist hier vom „Eckrentner“. Dieses Modell setzt eine ununterbrochene sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung über 45 Jahre hinweg sowie ein Durchschnittseinkommen voraus. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann überhaupt eine „volle“ Rente erhalten werden. Zum Beispiel ist für einen Mann, der 2010 in Rente ging, das Renteniveau auf ca. 47% seines durchschnitten Bruttoeinkommens angegeben. Wenn dieser Mann über 45 Jahre hinweg mit einen durchschnittlichem Verdienst beschäftigt war, würde er ca. 1.200 Euro brutto als Rente erhalten. Das Kernproblem wird hier schnell deutlich. Wer weniger Beitragsjahre hat und/oder unterdurchschnittlich verdient, erreicht eine solche „volle“ Rente nicht.
Durch die Rentenreformen, insbesondere aber der Riesterreform im Jahr 2001, sinkt das Renteniveau von Rentnerjahrgang zu Rentnerjahrgang stetig ab. Die Rente wird gebremst durch die Einberechung des demographischen Wandels. Durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor wird bei der Berechung der Rentenhöhe das Verhältnis von Beitragszahler/innen zu Rentner/innen berücksichtigt. Das heißt, wenn die Anzahl der Rentner/innen im Verhältnis zu den Beitragszahler/innen steigt, dann sinkt das Rentenniveau. Für diese Absenkung soll seit 2001 die kapitalgedeckte private Altersvorsorge, die Riesterrente, einspringen.
Weder der gesetzliche Rentenanspruch noch die private Riesterrente schützen in der Regel jedoch vor Altersarmut. Das gilt für alle diejenigen, die nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit einen zu niedrigen Rentenanspruch haben, nämlich einen, der unterhalb der Grenze für die Sozialhilfe liegt (Grundsicherung im Alter). Oder anders ausgedrückt: Wer also nur soviel gesetzliche Rente bekommt, dass er davon nicht Leben kann, hat Anspruch auf staatliche Hilfe. Diese steuerfinanzierte Grundsicherung im Alter liegt für eine Person bei derzeitig 637 Euro im Monat. Viele in meiner Generation und folgende werden unter den derzeitigen langen Ausbildungszeiten und überwiegend vorherrschenden prekären Arbeitsbedingungen wohl kaum dazu kommen, 45 Jahre lang ununterbrochen sozialverpflichtet beschäftigt zu sein. Sie erwartet irgendwann nach der derzeitigen Gesetzeslage eine schmale staatliche Rente.
Und das selbst dann, wenn „geriestert“ wird. Denn die Riesterrente wird auf die Grundsicherung angerechnet. D.h., diejenigen, die wenig Lohn für ihre Arbeit erhalten, sich aber dennoch das Geld für die private Rente Monat für Monat sauer vom Munde absparen, ist auch nicht garantiert, dass sie später als Rentner/in mehr Geld als die Grundsicherung im Alter erhalten. Denn hat er oder sie privat mit Riester vorgesorgt, so gibt es Riester nicht obendrauf, sondern der Staat zahlt entsprechend weniger Sozialhilfe als „Zuschuss zum Lebensunterhalt“ aus. Gespart wird also nicht für das eigene Altern in Würde, sondern gespart wird in diesen Fällen seit 2001 für den Staat.
Das Riester-Dilemma ist spätestens seit dem Monitor-Bericht im Januar 2008 im öffentlichen Bewusstsein verankert. Eine Lösung dafür – wie z.B. über einen Anrechnungsfreibeitrag – liegt indes immer noch nicht vor. Aber selbst solch eine Lösung wäre nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn die private Altersvorsorge ist als Produkt des Kapitalmarkts spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise grundsätzlich zu hinterfragen. Die Rente aus der gesetzlichen Versicherung pendelt sich für viele mehr und mehr auf dem Niveau der Sozialhilfe als Grundsicherung ein. Was wir daher dringend brauchen, sind nachhaltige und solide finanzierte Konzepte gegen Altersarmut.
Denkbar sind verschiedene Wege. Präventiv vor Altersarmut würden zum Beispiel ein gesetzlicher Mindestlohn und ein Mehr an sozialversicherungspflichtigen Jobs schützen. Auch bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, damit Arbeitgeber bei der Vergabe von Minijobs ihren Anteil in die Sozialversicherungen verpflichtend einzahlen. Die Pflege von Angehörigen muss auf die Rente angerechnet werden. Auch ist eine bessere und längere Betreuung von Kindern unter drei Jahren sowie über drei Jahren erforderlich, damit Eltern, vor allem Frauen, Arbeit aufnehmen und hinreichend nachgehen können.
Aber wie könnte eine Reform aussehen, die nachhaltig Altersarmut verhindert? Brauchen wir überhaupt eine Reform der Versicherung oder gibt es auch andere und/oder zusätzliche Wege, um eine nachhaltige Alterssicherung zu gewährleisten? Ein erster Schritt könnte darin bestehen eine solidarisch finanzierte Garantierente einzuführen. Diese könnte künftig Ältere vor Armut schützen, auch jene unter uns, die sich eine private Vorsorge nicht leisten können. Solch ein Umstieg auf eine steuerfinanzierte Garantierente würde bislang nicht belastete Bürgerinnen und Bürger wie Reiche und Gutverdienende mit zur Kasse bitten. Wie genau das grüne Modell der Garantierente finanziell nachhaltig und technisch funktionieren kann, wird derzeitig durch die grüne Bundestagsfraktion durch ein Gutachten geprüft. Dazu später in einem weiteren Blog mehr.
1 Comment
Mir ist jetzt völlig rätzelhaft, wie bei dieser Erkenntnis die jetzt sich
abzeichnende Situation für die Rentenfernen Jahrgänge, erst seinerzeit
mit Hilfe Ihrer Bundestagsfraktion so herbeigeführt wurde.
Erst kürzen und sich dann hinterher wundern, dass es für die
Mehrheit irgendwann nicht mehr reichen wird, nenne ich eher kurzsichtige als
grüne Politik.