Arm trotz Arbeit – AufstockerInnen in Bremen
Rede im Landtag 25.01.12 zur Große Anfrage der Fraktion die Linke „Freibeträge für AufstockerInnen”
(Es gilt das gesprochene Wort)
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Sehr geehrter Frau Präsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren,
Der hohe Anteil der Aufstockerinnen und Aufstockern ist eines der größten sozialen Probleme unserer Zeit. Menschen müssen von Ihrer Arbeit nicht nur überleben, sondern auch leben können.
Es ist wichtig, dass es nicht zu einer verschämten Armut kommt. Der Anspruch auf staatliche Sozialleistung ist keine Gewährung von Almosen, sondern ein Bürgerrecht. Jede oder jeder der Anspruch auf dieses Recht hat, sollte dieses Recht auch wahrnehmen. Das ist unser grünes Sozialstaatsverständnis. Und dabei darf es meiner Meinung nach keine Rolle spielen ob jemand Anspruch auf staatliche Leistungen hat ohne in Arbeit zu sein oder ob jemand trotz Arbeit Anspruch auf Sozialleistungen hat.
Ich finde, wir müssen uns immer vor Augen führen, dass ergänzender Hilfebezug ein gesellschaftliches Symbol für zu niedrige Löhne darstellt. Es ist alles andere als legitim, dass Arbeitgeber zu niedrige Löhne zahlen, dabei die Möglichkeit der aufstockenden Sozialleistungen und das heißt ganz konkret – die Lohndrückerei – fest einkalkulieren. Arbeitgeber rechnen dieses mit ein, so dass Kombilöhne entstehen. Bei Mini-Jobs zahlen Unternehmen nicht wie bei sozialversicherungspflichtigen Jobs ihren gerechten Anteil in die Solidargemeinschaft, dies führt zum drängenden Problem der Altersarmut. Es ist nicht hinnehmbar, dass Unternehmen so die Lasten auf die Allgemeinheit abwälzen.
Dumping Löhne und prekäre Arbeit werden vermeintlich – im Nachhinein – durch aufstockende Hilfeleistungen korrigiert, damit Menschen ihre Existenz sichern können. Wir Grüne bekämpfen Niedriglöhne und unwürdige Arbeitsverhältnisse. Was wir ! wollen, sind faire Löhne. Für uns gilt (…) „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – insbesondere bei der Leiharbeit. Wir Grüne streiten für einen allgemein verbindlichen Mindestlohn – und zwar schon zu Zeiten, als andere noch der Meinung waren, dass die Tarifpartner das alleine hinbekommen.
Der Grundsatz „Gleiche Löhne für gleiche Arbeit“ muss auch bei der Bezahlung von Frauen und Männern gelten. In Deutschland erhalten Frauen immer noch 23% weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen, in Bremen beträgt die Lohnlücke 25%. 70% der im Niedriglohsektor arbeitenden Menschen sind Frauen. Für uns ist deshalb die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns AUCH unter den Gesichtspunkten der Geschlechtergerechtigkeit notwendig.
Hingegen gehen die Konservativen und Marktliberalen von der Annahme aus, dass Löhne sich ausschließlich am Markt über Angebot und Nachfrage bilden. Wenn es niedrige Löhne gibt, dann ist ein Ergebnis des Markt-Preis-Mechanismus. Dass zu niedrige Löhne dann durch den Staat subventioniert werden müssen, gehört ebenso in die Ideologie des marktfreiheitlichen Politikmodells. Dass aber die unsichtbare Hand des Marktes gerade nicht dazu führt, gerechte Löhne für Arbeit zu produzieren, zeigt sich unter anderen auch darin, dass in Bremen jede vierte Empfängerin und jeder vierte Empfänger von Hilfeleistungen arm trotz Arbeit ist. Was folgt aus der Offenkundigkeit des Marktversagens? Aus unserer bündnisgrünen Sicht bedarf es deshalb starker Tarifpartner sowie einer stärkeren Regulierung des Arbeitsmarktes.
Die Fraktion die Linke unterstellt in ihrer Großen Anfrage, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf ergänzende Hilfeleistungen angewiesen sind. Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden in Bremen entsprechend nach Tarif bezahlt. Laut Antwort des Senats erzielen vierzehn Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ein sehr geringes Einkommen. Ob diese Menschen aber auf aufstockende Leistungen angewiesen sind, darüber kann der Senat keine eindeutige Antwort geben, da der Anspruch auf aufstockende Leistungen auch von den persönlichen Lebensverhältnissen abhängig ist. In diese aber – und das ist auch gut so – hat der Senat als Arbeitgeber keinen Einblick. Das ist auch eine Frage des Arbeitnehmerdatenschutzes.
Ich möchte gerne noch den Blick auf das Vergaberecht richten. In der letzten Legislaturperiode legte die rot-grüne Koalition im Vergabegesetz bereits einen Mindestlohn von 7,50 Euro fest. Diesen haben wir auf 8,50 Euro erhöht. Derzeitig diskutieren wir als Koalition über die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns auf Landesebene, u.a. im Bereich der Zuwendungsempfänger. Und ich bin zuversichtlich, dass wir als rot-grüne Regierungskoalition der Bürgerschaft einen guten Entwurf vorlegen werden. Auch das wird dazu führen, dass weniger Menschen auf aufstockende Sozialleistung angewiesen sind.
Zur Großen Anfrage der Linken und der Antwort des Senats geht es hier.
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