Braucht Bremen einen Mietspiegel? – Ich meine: Nein!!!
Hier kommt mein Diskussionsbeitrag, ob in Bremen einen Mietspiegel benötigt wird. Das Thema wird zur Zeit nicht nur bei der Grünen Fraktion in Bremen debattiert, sondern findet auch öffentliches Interesse. Die Grüne Fraktion ist in dieser Frage noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung gekommen, sondern befindet sich im Willensbildungsprozess.Oft wird diese Debatte mit dem Argument angeführt, dass Bremen die einzige Großstadt ist, die keinen Mietspiegel hat. Aber ist das ein gutes Argument?
Ich meine, dass die Einführung eines Mietspiegels vor allem die Mietpreise nach oben drehen wird und verstärkt die Brermer_innen aus ihren Stadtteilen drängen wird. Dies aber würde unserem politischen Ziel, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, zuwiderlaufen. Die Debatte um einen allgemeinem Mietspiegel muss zudem zwingend notwendig von der Debatte um eine rechtssichere Festsetzung der Mietobergrenzen getrennt werden. Aber lest selbst:
Diskussionsbeitrag
*Sozialpolitische Relevanz von Mietspiegeln bei der Festlegung von „Mietobergrenzen“
Der Mietspiegel nach BGB stellt in erster Linie ein Regulierungsmittel des privaten Wohnungsmarktes dar. Bei der Festlegung der Höchstgrenzen der kommunalen „Kosten der Unterkunft“ ist dagegen aus sozialpolitischer Sicht die Übernahme der tatsächlichen Kosten relevant, damit das grundgesetzlich verbürgte Recht auf ein Existenzminimums gewährleistet ist.
Ein Mietspiegel nach den §§ 558c und 558d BGB dient vor allem als Steuerungsinstrument zur Regulierung des privaten Wohnungsmarktes und verfolgt damit ein grundsätzlich anderes Ziel als der sozialpolitische Grundsatz. Im sozialpolitischen Sinne ist sicherzustellen, dass bei der Festlegung der Kosten der Unterkunft die Mieten aus dem unterem Wohnungssegment als Grundlage genommen werden.
Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch sieht für Leistungsberechtigte im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch die Übernahme der tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als existenzsichernde Leistungen vor. Die §22 SGB II und §35 SGB XII sehen vor, dass der kommunale Träger die tatsächlichen Kosten erbringt, soweit sie „angemessen“ sind. Was „angemessen“ ist, ist Auslegungssache, und führt aufgrund regionaler Unterschiede zu unterschiedlicher Auslegung.
Aus sozialpolitischer Sicht geht es vor allem darum, für Hartz IV-Empfänger_innen das Existenzminimum zu gewähren. Das besteht hier darin, dass sie in einer guten Wohnung leben können und die tatsächlichen Kosten übernommen werden.
*Status Quo und Besonderheit in Bremen
Die Festlegung der Mietobergrenzen in Bremen erfolgt derzeitig noch auf der Basis eines Wohngutachtens/Wohnungsmarktanalyse (GEWOS II). Bremen nutzt seinen kommunalen Gestaltungsspielraum mit einem guten Konzept. Unter Rot-Grün in Bremen wurden sozialräumlich differenzierten Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII eingeführt. Es folgt dem Prinzip: Höhere Unterkunftskosten werden in den Ortsteilen als angemessen akzeptiert, wo die Konzentration von Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften gering sind.
Konkret wurden in sechs Ortsteilen die Angemessenheitsgrenzen angepasst, sie liegen um 10% über den sonst üblichen Mietobergrenzen für Bremen. In weiteren vier Ortsteilen liegen sie über 20%.[1] Das verhindert eine noch stärkere Segregation und löst Verfestigungstendenzen auf.
Problematisch ist, dass das Gutachten aufgrund der Wohnungsmarktanalyse (GEWOS II) veraltet ist. Uns liegt keine Fortschreibung der Vergleichsmieten vor.
*Technik/Verfahren
Angemessenheitsgrenzen bestimmen sich über einen Richtwert, d.h. Quadratmeterzahl x Quadratmeterpreis müssen ermitteln werden und/oder über die Festlegung von „Mietobergrenzen.“
Die Miete am Wohnort ist Vergleichsmaßstab. Es wird eine sogenannte „ortsübliche Vergleichsmiete“ ermittelt. Dabei sind Unterteilungen in mehrere Vergleichsgebiete notwendig. Stadtteile, Ortsteile, und am besten Quartiere sind Vergleichsgebiete. Der sozialräumliche Vergleichsmaßstab ist so zu wählen, dass das Recht der Leistungsberechtigten auf Verbleib in ihrem sozialen Umfeld gewahrt wird.
Wir wird der Quadratmeterpreis ermittelt? Üblicherweise über folgende drei Erkenntnisquellen ermittelt. 1. Mietspiegel, 2.Mietengutachten/Mietenbericht/Wohnungsmarktanalyse oder 3. Wohngeldgesetz. Hierzu hebt das Bundessozialgericht hervor, dass zur Bestimmung der „Angemessenheit“ ein „schlüssiges Konzept“ vorgelegt werden muss. Das trifft sowohl auf Mietengutachten/ Mietenbericht als auch auf einen Mietspiegel zu.
Der §12 des Wohngeldgesetzes ist nach dem Bundessozialgericht dann zulässig, wenn keine anderen Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen. Ein Rückgriff auf Tabellenwerte ist grundsätzlich aber ausgeschlossen. [2]
Mietspiegel oder Mietgutachten – auf die Ausgestaltung kommt es an!
Besonders wichtig ist bei der Erfüllung der Kriterien für ein „schlüssiges Konzept“ die Datengrundlage, hier insbesondere welche Art der Wohnung herangezogen werden. Beim einem sog. „Qualifizierten Mietspiegel“ im Sinne der sozialpolitischen Relevanz müssen die Mieten aus dem unterem Wohnraumsegment zur Grundlage der Berechnung der Angemessenheitsgrenzen genommen werden.
Erfahrungen aus Berlin – eher negativ!
Oft wird behauptet, dass mit dem Berliner Mietspiegel positive Erfahrungen gemacht wurden. Dem ist aber nicht so. Der Berliner Mietspiegel erhebt nur die Mietpreise von Wohnungen, die entweder in den letzten 5 Jahren neu vermietet wurden oder aber eine Mietanpassung erfahren haben. Wohnungen mit stagnierenden Mieten oder günstigen Altverträge werden nicht einbezogen.
Diese Konstruktion hatte notwendigerweise einen Preissteigerungseffekt zu Folge. Da die „ortsübliche Vergleichsmiete” aber nicht die tatsächliche Durchschnittsmiete eines Quartiers abbildet, sondern nur die Miete, die seit dem letzten Mietspiegel gestiegen ist (Neuvermietung ohne Mietsteigerung ist eher selten, eher wird in Berlin saftig aufgeschlagen), steigt die Vergleichsmiete automatisch bei jedem Mietspiegel. Damit haben die Vermieter eine Handhabe und eine Rechtfertigung für eine Mietsteigerung alle 3 Jahre, die – da Neuvermietungen einbezogen sind – weit über dem Inflationsausgleich liegt.
Die Mietenstopp-Bewegung in Berlin fordert derzeit nicht die Abschaffung des Mietspiegels, sondern eine Berechnung aufgrund aller Wohnungen. Dies hätte dann eine wesentlich langsamere Steigerung der Vergleichsmiete zur folge und würde die soziale Realität der Quartiere viel besser abbilden. Der Mietspiegel für Kreuzberg gibt z.B. Quadratmeterpreise an, die zu den teuersten der ganzen Stadt gehören – das funktioniert deshalb, weil die Alteingesessenen mit Uralt-Mietverträgen nicht in der Vergleichsmiete auftauchen.
*Mietspiegel als Mieterhöhungsinstrument
Möglicherweise würde – trotz Einbeziehung aller Wohnungen – eine Einführung eines Mietspiegels dennoch dazu führen, dass Vermieter, die unterhalb der jetzigen Mietobergrenzen vermieten, durch jede neue Veröffentlichung dazu animiert werden, eine „Mietanpassung” vorzunehmen.
*Politische Schlussfolgerungen
- Bundespolitisch: Um die Geschwindigkeit in den Mieterhöhungen zu drosseln, setzten sich die Grünen dafür ein, die derzeitigen gesetzlichen Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen nach §§ 558 (§3) BGB, nach der max. alle 3 Jahre die Miete um höchstens 20 Prozent erhöht werden darf, abzusenken. Wir streben eine Gesetzesänderung an, die die Höchstgrenze auf 15 Prozent absenkt und vorsieht, dass nur noch alle 4 Jahre die Miete erhöht werden darf. Hinzu setzen Grüne sich für eine Begrenzung von Mieterhöhung bei Mieterwechseln (Neuvermietung) ein.[3] Wie streben bei Neuvermietungen eine Begrenzung von 10% Erhöhung an.
- Sofortmaßnahme: Bis zur Aktualisierung bzw. Fortschreibung eines neuen Gutachtens oder bis zur Einführung eines Mietspiegels muss – da in Bremen derzeitig aktuell keine aktuellen Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen – zunächst die Wohngeldtabelle plus 10% als Richtwert gelten.
- Bei der Konzeption eines neues Gutachtens oder ggf. eines Mietsspiegels für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen muss die sachgerechte Abbildung des für die Hartz-V-Bezieher_innen relevanten Wohnungssegments als Grundlage dienen. Dabei sind insbesondere Wohnungen mit relevanten Wohnungsgrößen und Ausstattungsmerkmale zu berücksichtigen.
- Die Einführung eines allgemeinen Mietspiegels ist problematisch, da die Gefahr von allgemeinen Mietpreiserhöhungen droht. Dieses Risiko könnte durch die Einführung von Bestandsmieten in die Berechnungen des Mietspiegels reduziert werden. Letztendlich ist die Einführung eines allgemeinen Mietspiegels das Interesse der Vermieter.
- Sozialpolitisch ist die Festlegung einer Datenbasis für die rechtssichere Festsetzung der Mietobergrenzen das zentrale Anliegen. Sinnvollerweise sollte diese Debatte von der Debatte über die Einführung eines allgemeinen Mietspiegels getrennt werden.
[1] Siehe: Verwaltungsanweisung der Senatorin für AFGJS, Bremen 2010 und siehe auch Informationen zur Raumentwicklung Heft 9/2011.
[2] Vgl.: Deutscher Verein für öffentlich und private Fürsorge 2010: Empfehlungen zur Angemessenheit der Leistungen der Unterkunft und Heizung im SGB II.
[3] Siehe Beschluss der Fraktion B’90/Grüne Bremen vom 02.10.12. BBÜ-Antrag: „Begrenzung von Mieterhöhungen“(liegt z.Z. der SPD-Fraktion zur Beratung vor).
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