Jugendbeteiligung im Stadtteil – Nur Partizipationsspielwiese oder ernst gemeinte Heranführung an große Politik?

In der Bremer Neustadt können am 17. Juni alle Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 21 Jahre insgesamt 10 Kandidaten/-innen in den Jugendbeirat wählen. 18 Kandidat/-innen stehen zur Wahl. Mit dem durch den Neustädter Beirat  eingerichteten Jugendbeirat entsteht nun auch in der Bremer Neustadt ein Forum, in dem Kinder und Jugendliche ihre Interessen und Forderungen in allen  sie betreffenden Fragen des Stadtteils vortragen und zum Teil mitbestimmen können. Doch was bedeutet das jetzt eigentlich hinsichtlich Qualität und Reichweite der Jugendpartizipation?

Für die Umsetzung von Projektideen und Beschlüssen des Jugendbeirats stellt der Beirat 10.000 Euro aus seinen Globalmitteln zur Verfügung. Das ist ein großartiges Instrument, denn die gewählten Kinder und Jugendlichen des 10-köpfigen-Jugendbeirats sind zukünftig nicht nur geschäftsmäßig selbstorganisiert, sondern erhalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein in Eigenverantwortung selbst zu verwaltendes Budget. Das bedeutet Nichts weniger, als dass alle Kinder und Jugendliche der Neustadt über Anträge und Beiträge im Jugendbeirat mit darüber bestimmen können, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Somit nimmt die Beteiligung von Jugendlichen endlich greifbare Konturen an.

Das letzte Wort haben allerdings die gewählten Interessenvertreter/-innen des Jugendbeirats; ihnen obliegt die Entscheidung.  Das betrifft erste Ideen aus einem Workshop, wie beispielsweise Projekte wie kostenlose Musik- und Sportangebote für Jugendliche am Werdersee, oder aber die Planung und Einrichtung eines Jugendcafés in Selbstverantwortung.

Gegenüber den Entscheidungen des Beirates der Neustadt, welche  die Bedürfnisse und Interessen der Kinder und Jugendlichen vor allem selbst betreffen, haben die Vertreter/-innen des Jugendbeirats allerdings nur beschränkte Rechte. Sie haben ein Recht auf Mitsprache, d.h. sie erhalten in den Sitzungen des Beirats die Gelegenheit, ihre Meinung, Anliegen und Wünsche zu äußern. Sie haben aber weder ein Recht auf Mitwirkung – zum Beispiel konkrete Vorschläge zu entwickeln, die dann verbindlich in den Beratungs- und Entscheidungsprozess des Beirates einbezogen werden, noch haben sie ein Recht darauf, an Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt zu sein.

Aber genau das wollten die Kinder und Jugendlichen, die am 11. Dezember am Workshop “Jugendbeteiligung in der Neustadt” im LidiceHaus teilnahmen und sich über die Ausgestaltung des Jugendbeirats Gedanken machten. Sie forderten ein “Mitsprache-, Informations-, Entscheidungs- und Stimmrecht in allen Beiratsgremien.” Der Beirat votierte allerdings mehrheitlich gegen den Vorschlag der Jugendlichen. Das Beirätegesetz sieht vor, dass der Beirat die letztendliche Entscheidungshoheit hat.

Mit dem reformierten Beirätegesetz hat sich die Stadt Bremen für eine Erweiterung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen durch die Einrichtung von Jugendbeiräten entschieden. Die bisherigen Jugendbeiräte (u.a. Huchting, im Viertel, bald in der Neustadt) verfügen über eine Geschäftsordnung, welche die Arbeit der Jugendbeiräte an den üblich bekannten repräsentativ-parlamentarischen Verfahrens- und Entscheidungsmechanismen ausrichtet. Das ist  gut und demokratiepolitisch wichtig, um Jugendliche an parlamentarisch-institutionelle Politik heranzuführen. Inwiefern Kinder und Jugendliche kontinuierlich in ihrem politischen Engagement dran bleiben (können) wird meiner Meinung aber insbesondere davon abhängen, inwiefern es  Politiker/-innen gelingt, sie in ihren Anliegen und Bedürfnissen ernst zu nehmen, diese in Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse aufzunehmen und dann auch Rechenschaft der Entscheidungen gegenüber den Kindern und Jugendlichen abzulegen.

Da die Kinder und Jugendlichen keine Alleinhoheit über ihre Entscheidungen haben, so sollte ihnen zumindest das Recht auf Rechenschaft, das Recht auf eine ausführliche Begründung zustehen. Es kann nicht sein, dass wir die Jugendliche einladen, ihre Stimme zu erheben, um diese dann zu ignorieren.

Bei der Konstruktion des Jugendbeirates ist eine Rechenschaftspflicht des Beirates gegenüber den vom Jugendbeirat vorgetragenen Anliegen im Beirat-Neustadt allerdings nicht vorgesehen. Das aber wäre das Richtige und Gebotene, um dem Anhörungsrecht des Jugendbeirats  ernsthaft Nachdruck zu verleihen. Inwiefern dass möglich ist, wird sich vorerst in der Realität der politischen Kultur und Selbstverständlichkeiten widerspiegeln. Den Jugendlichen sei mitgegeben, geht wählen und fordert eure Mitwirkungsrechte in allen Euch betreffenden Entscheidungen des Stadtteils ein. This is your City, let’s act like it!

 

 

Posted by:

Susanne Wendland

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