Verhütungsmittel als freiwilliges Angebot an Frauen in schwierigen Lebenslagen

Rede im Landtag zur Großen Anfrage „Verhütungsmittel für Geringverdiener*innnen“ am 26.10.2013

*** (Es gilt das gesprochene Wort).

 

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren,

selbstbestimmte Sexualität und Familienplanung sind ein Menschenrecht. Wenn für Frauen die Verhütung vom Einkommen abhängt ist dieses Recht eingeschränkt.

Reden schwingen im ParlamentFür Frauen bis zum Ende des 20. Lebensjahrs übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Verhüttungsmittel. Seit 2004 gibt es für  Frauen ab dem 21 Lebensjahr – selbst wenn Sie bedürftig sind – keine Kostenübernahme mehr für Verhütungsmittel. In der Theorie sind die Kosten dafür im Regelsatz von Hartz IV enthalten. Bei der Ermittlung des Regelsatzes sind auch Ausgaben für Gesundheitspflege berücksichtig worden. Darin ist alles enthalten, was nicht durch den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt ist. Also auch verschreibungspflichtige Verhütungsmittel.

Es wird aber schnell deutlich, dass hier der Ansatz der Pauschalierung an seine Grenzen stößt. Verhütung ist eben keine Abwägungsfrage mit anderen Ausgaben des täglichen Lebens. Es ist eine Frage der eigenen Familienplanung. Und es ist vor allem eine Frage einer selbstbestimmten Sexualität.

Die Einführung der Anti-Baby-Pille war Anfang der 1960er Jahre – insbesondere für die Frauen – ein Meilenstein. Sie konnten sexuell aktiv sein ohne ständig Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft haben zu müssen. Damit konnten Frauen die Fäden ihres Lebens und ihrer Familienplanung selbst in die Hand nehmen. Diese Errungenschafft darf nicht durch materielle Zwänge für einige Frauen wieder verloren gehen.

Die jetzige Gesetzeslage in Deutschland führt zu absurden Ergebnissen. Es gibt inzwischen immer mehr Frauen mit wenig Geld, die aus Kostengründen auf Verhütungsmittel verzichten. So berichten z.B. Vertreterinnen von pro Familia, dass es „ganz typisch ist, dass Frauen Geld für die Pillenpackungen zurückgelegt hatten und das Kind in der Schule plötzlich ein Buch oder eine Ausflug bezahlen musste. Dann steht die Verhütung zurück“. Kommt es zu einer ungewollten Schwangerschaft bleibt ihnen „Die Pille danach“ oder die Abtreibung als letzte Mittel. Beides bereitet den betroffen Frauen immer große seelische Qualen. Aber die Kosten für die dann notwendige Abtreibung (die natürlich höher liegen als die Kosten der Verhütungsmittel) – die werden von der Krankenkasse übernommen. Das können wir den Frauen doch nicht ernsthaft zumuten!!!

Es ist deshalb an der Zeit im Sozialgesetzbuch die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Eine Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ist der konsequente und richtige Weg dafür. Notfalls müsste aber zumindest die Voraussetzung dafür geschaffen werden verschreibungspflichtige Verhütungsmittel als Antragsleistung für die Empfängerinnen von Hartz IV-Leistungen zu erstatten.

Als Land und Kommune können wir nur als Reparaturbetrieb versuchen die am schwersten wiegenden Folgen der gesetzlichen Regelungen zu korrigieren. Die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts und die angespannte Haushaltslage Bremens setzen uns dabei enge Grenzen.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Erfolg, wenn wir in Bremen ab 2014 wenigstens für Frauen in besonders schwierigen Lebenslagen, beispielsweise für wohnungslose Frauen und für Frauen, die eine Drogensubstitution erhalten, ein Angebot machen können. Ab 2015 soll der Kreis, der einzubeziehenden Frauen – so haben wir das in der Sozialdeputation beschlossen – erweitert werden. Im Vergleich zum Status quo ist das ein deutlicher Fortschritt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ärgert mich wahnsinnig, wenn hier aus dem Kreis der Linken der Vorwurf eines diskriminierenden Zugangs erhoben wird (Frage 15 ihrer Großen anfrage). Die Berücksichtigung von Frauen, die sich in besonders schwierigen Lebenslagen befinden und eine Hilfe am dringendsten brauchen ist für mich ein Grundprinzip des Sozialstaates und keine Diskriminierung.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen: Hier geht es um ein Angebot auf einen Zugang zu kostenfreien Verhütungsmittel. Wer darin eine Verpflichtung zur Verhütung sieht, hat hier etwas gründlich missverstanden! Es geht gerade um Selbstbestimmung der Betroffenen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können stolz sein auf den gefunden Einstieg in die Übernahme der Kosten für die Verhütungsmittel für Frauen in besonders schwierigen Lebenslagen. Gemeinsam müssen wir nach Möglichkeiten suchen, dass wir Schritt für Schritt den Personenkreis erweitern, der davon profitiert. Eine wirkliche Lösung für das Problem kann aber nur eine gesetzliche Regelung im Bund sein. Die Kosten für Verhüttungsmittel gehören in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen.

Posted by:

Susanne Wendland

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